Allgemein
Hat der Glaube jemals Berge versetzt?
in: IDEA 25/2025, 20-22:
„Als Jesu Schüler sich darüber wunderten, dass ihr Lehrer in der Lage war, allein mit seinen Worten einen Feigenbaum verdorren zu lassen, antwortete er ihnen: „Wenn ihr Glauben habt und nicht zweifelt, so werdet ihr solches nicht allein mit dem Feigenbaum tun, sondern wenn ihr zu diesem Berge sagt: Heb dich und wirf dich ins Meer!, so wird’s geschehen.“ (Matthäus 21,21). Als die Jünger bei einer anderen Gelegenheit daran scheiterten, einen Jungen von seiner Epilepsie zu heilen (die im Neuen Testament als „Mondsucht“ bezeichnet wird), reagierte Jesus mit derselben Aussage über den bergeversetzenden Glauben (Matthäus 17,20). In einer Variante seiner Zusage sprach Jesus statt von einem Berg von einem Baum: „Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und verpflanze dich ins Meer!, und er würde euch gehorsam sein“ (Lukas 17,6).
Über Rabbi Eliezer ben Hyrkanos, einen bedeutenden jüdischen Schriftgelehrten (um 90–130 n. Chr.), wird im babylonischen Talmud berichtet, er habe einmal einen Johannisbrotbaum versetzt, um zu beweisen, dass seine Rechtsauffassung die richtige ist. Von dem kleinasiatischen Bischof Gregor mit dem Beinamen Thaumaturgos (der Wundertäter), der im 3. Jahrhundert lebte, erzählte man sich sogar, er habe Berge versetzt. Ich halte beide Erzählungen für unterhaltsam, aber legendarisch …“
Wurde unser Neues Testament bereits Mitte des 2. Jahrhunderts zusammengestellt?
(Besprechung von) C. Bemmerl, Der Jakobusbrief in der Alten Kirche. Eine Spurensuche vom Neuen Testament bis zu Origenes, WUNT 2/588, Tübingen: Mohr Siebeck, 2023, in: Theologische Literaturzeitung 150 (2025) 233-234:
„Bekanntlich enthält das Neue Testament Schriften, deren Existenz erst im 3. Jahrhundert n. Chr. sicher bezeugt ist. Zu ihnen gehört der Jakobusbrief, mit dessen früher Rezeptionsgeschichte sich B. in seiner an der Universität Regensburg von Tobias Nicklas betreuten Dissertation befasst hat …“
Warum durften Frauen im frühen Christentum nicht lehren (1 Tim 2,12)?
In 1. Tim 2,12 steht: „Ich erlaube einer Frau nicht zu lehren.“ Manche Exegeten halten diesen Satz für frauenfeindlich, weil er Frauen als minderwertig einstufe. Außerdem gibt es in christlichen Gemeinden sehr unterschiedliche Meinungen darüber, wie diese Anweisung heute umgesetzt werden sollte: Sollen Frauen überhaupt nicht lehren, nur nicht im christlichen Kontext lehren, nur keine Theologie lehren, nur keine Männer lehren oder nur nicht im Gottesdienst lehren?
Prof. Dr. Armin D. Baum (FTH Gießen) unterscheidet in seiner Interpretation zwischen der alttestamentlichen Begründung des Lehrverbots (in 1 Tim 2,14) und seinem kulturellen Kontext (der nicht ausdrücklich erwähnt wird). Er ist überzeugt, dass das Lehrverbot keineswegs frauenfeindlich war und als Teil des Wortes Gottes ernstgenommen werden sollte. Vor allem untersucht er, wie genau das Lehrverbot in seinem ursprünglichen kulturellen Kontext gemeint war und heute verstanden und angewendet werden kann.
The Historical-Critical Method in Biblical Studies: Its History, Potential and Limitations
The Historical-Critical Method in Biblical Studies: Its History, Potential and Limita-tions, in: The Bible Through the Ages. Its Nature, Interpretation, and Relevance for Today, Hg. L. Jaeger/C. G. Bartholomew, Grand Rapids: Zondervan, 2024, 222-248:
„The expression ‚historical-critical method‘ is ambiguous. Not just one, but (at least) two different methods of analyzing a given text are called ‚historical-critical.‘ Therefore, I will first look at this somewhat confusing terminology. Most influential books on New Testament methodology usually give much more room for exegetical than for historical method. For this reason, I will describe both the exegetical but also the historical method. In due course, I will not only highlight their strengths but also point out their limitations. Regarding both methods, the question arises what difference it makes whether exegetes or historians interpret biblical texts as Christian believers. This pneumatic or spiritual dimension of biblical studies is often omitted in textbooks on New Testament method. I will deal with it in relation both to exegetical and to historical interpretation of the New Testament. Finally, I will look at the relationship between the historical-critical method and a priori criticism of the miraculous. What is the main difference between a dogmatic or absolute and an open-minded approach to the supernatural elements in the biblical texts? …“
Deutsche Fassung: Die-historisch-kritische-Methode-in-der-Bibelwissenschaft-BeTh-3-2019-53-87.pdf
Wer ist der Antichrist – und wenn ja, wie viele?
Die Bibel warnt uns vor dem sogenannten Antichristen. Aber wer oder was ist der Antichrist? Eine Person, ein Reich oder eine Idee? Armin Baum, Professor für Neues Testament an der FTH Gießen, erklärt, was Paulus dazu gesagt hat. Und warum die Warnung vor dem Antichristen seit 2000 Jahren relevant ist und bleibt.
Homosexualität aus exegetischer und seelsorgerlicher Perspektive: Welche hermeneutischen Entscheidungen führen zu welchen ethischen Positionen?
in: Von Hermeneutik und Ethik. Beiträge zur Frage der Homosexualität in Bibel und Gemeinde, Hg. W. Heinrich / J. Wagner, Theologische Impulse, Witten: Bundes-Verlag, 2024, 7-39:
Das Vorbereitungsteam der Theologischen Woche hat mich gebeten, in meinem Vortrag noch einmal zu erklären, welche hermeneutischen Entscheidungen zu welchen sexualethischen Positionen führen. Und wie man als Freikirche oder Gemeindebund trotz unterschiedlicher Antworten auf eine wichtige sexualethische Frage zusammenbleiben kann.
Unter Homosexualität verstehe ich im Folgenden ein „sich auf das eigene Geschlecht richtendes sexuelles Empfinden und Verhalten“ (Duden). Weil das Thema weitläufig und der Raum für diesen Vortrag bzw. Aufsatz begrenzt ist, präsentiere ich meine Gedanken nicht ausführlich, sondern nur skizzenhaft und beschränke mich auf die großen Hauptlinien.
Ich beginne mit einem Überblick über die verschiedenen Antworten, die in der Fachliteratur auf die doppelte Frage gegeben werden, wie homosexuelles Verhalten in der Bibel bzw. im Neuen Testament beurteilt wird und welche Relevanz dieses Urteil für unsere christliche Ethik und Seelsorge hat. Dabei sind vier Weggabelungen zu unterscheiden: die exegetische (1), die historische (2), die des Schriftverständnisses (3) und die seelsorgerliche (4) …
Sind die biblischen Aussagen zur Homosexualität theologisch überholt?
(Besprechung zu) Christopher B. Hays / Richard B. Hays: The Widening of God’s Mercy. Sexuality within the Biblical Story, New Haven: Yale University Press, 2024, in: https://rezensionen.afet.de/ (16.10.2024):
„Wie sind die biblischen Aussagen zur Homosexualität zu interpretieren und auf unsere heutigen Fragestellungen anzuwenden? Dazu hatte sich der amerikanische Neutestamentler Richard Hays (von der Duke Divinity School) bereits 1996 in einem viel beachteten Kapitel seiner einflussreichen Einführung in die neutestamentliche Ethik geäußert: „The Moral Vision of the New Testament“ (MVNT) 379–406 (für eine deutsche Übersetzung siehe hier). Diesem schwierigen sexualethischen Thema ist auch das gesamte, sehr persönliche Buch „The Widening of God’s Mercy“ (WGM) gewidmet, das Richard 2024 gemeinsam mit seinem Sohn Christopher Hays (vom Fuller Theological Seminary) veröffentlicht hat. Die beiden Autoren bedienen sich zwar durchgehend der Abkürzung LGBTQ, als würden sie über ein breites Spektrum von sexuellen Phänomenen schreiben, wollen aber ausdrücklich nicht die Themen Bisexualität und Transgender (17) und auch nicht das Thema Intersexualität behandeln, sondern beschränken sich ganz auf Menschen mit homosexueller Orientierung …“
Mag student theologie vinden wat hij wil? „Wees niet bang om student theologie vrijheid te geven“
Interview Reformatorisch Dagblad 26 September 2024, 17-19
Pseudepigrafie / Pseudepigrafen
Pseudepigrafie / Pseudepigrafen, in: Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde 3 (2024) 1638-1644:
„Pseudepigrafie (P.; von griech. pseudepigraphos = mit falscher Aufschrift) bedeutet „Falschzuschreibung“ (eines Schriftstücks). Pseudepigrafen sind Schriftstücke, die einen falschen Verfassernamen tragen. Im Unterschied zu anonymen Schriften, die keine Verfassernamen tragen, und orthonymen Schriften, deren Verfasserangaben zutreffen, stammen Pseudepigrafen nicht von den Autoren, deren Namen sie tragen. Primäre Pseudepigrafen werden von ihren Autoren mit einer falschen Verfasserangabe versehen, sekundäre Pseudepigrafen von ihren Lesern.
Zu berücksichtigen sind verwandte lit. Phänomene: Ein Plagiator versieht nicht seinen Text mit einem fremden Namen, sondern einen fremden Text mit seinem Namen. Der Interpolator schiebt dem Autor eines Textes einen nicht von diesem stammenden Abschnitt unter. Historiker können geschichtl. Personen fiktive Reden in den Mund legen.
Rechnete ein antiker Autor damit, dass seine unzutreffende Verfasserangabe von den Lesern durchschaut wurde, lag transparente P. ohne Täuschungsabsicht vor. Legte es ein Verfasser darauf an, seine Leser durch einen falschen Autorennamen über die Herkunft seines Textes zu täuschen, produzierte er eine lit. Fälschung. Für viele Schriften des frühen Christentums ist umstritten, ob es sich um Pseudepigrafen handelt und ob diese mit oder ohne Täuschungsabsicht verfasst wurden …“