Wie liest man die Bibel richtig?

in: erf.de

ERF: Die jüngsten Texte der Bibel sind zweitausend Jahre alt, manche sogar noch viel älter. Für viele Leserinnen und Leser sind diese nicht einfach zu verstehen. Wie kann man als Nicht-Theologe an die Bibel herangehen?

Armin Baum: Die Antwort ist ganz einfach: Lesen, lesen, lesen! Manche Leute haben so viel Respekt vor der Bibel oder vor anderen alten Texten, dass sie denken, sie könnten sie gar nicht verstehen. Deswegen fangen sie erst gar nicht an mit Lesen. Das Einfachste ist jedoch, einfach loszulesen. Sei es einen philosophischen Text von Platon, einen Bibeltext oder einen Text aus jüngerer Zeit. Man sollte nicht denken: „Am besten lese ich etwas über Platon oder über die Bibel.“ Sondern: „Ich lese die Bibel selber.“

https://www.erf.de/lesen/themen/leben/6866-542-7195

Die „Irrtumslosigkeit“ der Bibel: Zur Geschichte eines mehrdeutigen Begriffs

in: Evangelische Orientierung 3/2021, 6-7:

Die Formulierung, die Bibel sei „irrtumslos“, hat eine lange Geschichte. Sie kann sich aber noch nicht auf den biblischen Sprachgebrauch berufen. Ein gewisser Anknüpfungspunkt findet sich lediglich in einem an die Sadduzäer gerichteten Wort Jesu: „Ihr irrt, weil ihr weder die Schrift kennt noch die Kraft Gottes“ (Mt 22,29 par). Formulierungen zur Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift finden sich erstmals bei den lateinischen Kirchenvätern …

Wie löst man das synoptische Problem? – 3. Analogien aus mündlichen Kulturen

Um eine belastbare Antwort auf die synoptische Frage geben zu können, reicht es nicht aus, anhand einer griechischen Synopse die Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen den Evangelien zu analysieren. Es müssen auch historische Analogien herangezogen werden. Dazu ist ein interdisziplinärer Ansatz erforderlich. Neben synoptischen Befunden aus der antiken Literatur (Chronik, Josephus usw.) sind vor allem synoptische Texte aus mündlichen Kulturen relevant.

Prof. Dr. Armin D. Baum (FTH Gießen) präsentiert in dieser dritten Folge synoptische Texte aus der mündlichen Literatur Südjugoslawiens (1930er Jahre), aus der mündlichen Literatur Nordamerikas (1890er Jahre) und aus der mündlichen Literatur Westafrikas (1960er Jahre). Darüber hinaus bezieht er auch synoptische Befunde aus der rabbinischen Überlieferung ein. Daraus ergeben sich mehrere Erkenntnisse:

  1. Eine mündliche Tradition hat (gegen Eichhorn, Morgenthaler u.a.) durchaus die Kraft, mündlich überlieferte Sätze bis auf den Wortlaut genau zu fixieren.
  2. In der antiken Literatur sind bisher keine Paralleltexte nachgewiesen worden, deren Verhältnis dem zwischen den Synoptikern so ähnlich ist wie die beiden Fassungen des rabbinischen Traktats Avot de Rabbi Natan A par B (und ähnliche rabbinische Paralleltexte).
  3. Die rabbinische Traditionsliteratur entstammt einem historischen Kontext, in dem ein „Nebeneinander von mündlicher und schriftlicher Überlieferung mit dem Vorrang des mündlichen Textes“ (Günter Stemberger) bestand. Daher ist anzunehmen, dass auch die Parallelen zwischen den synoptischen Evangelien nicht primär auf Abschreibevorgänge, sondern auf mündliche Überlieferungsprozesse zurückzuführen sind.

Fazit: Wenn wir uns von unserer „Schreibtischmentalität“ lösen und interdisziplinär nach historischen Analogien fragen, zeigt sich, dass das synoptische Problem am besten mithilfe eines starken mündlichen Faktors gelöst werden kann.

Müssen Christen sich an das Gesetz des Mose halten?

Um herauszufinden, wie es ist, wenn man sich genau an die Bibel hält, unternahm der US-amerikanische Journalist A. J. Jacobs (geb. 1968) ein interessantes Experiment. Er hielt sich ein Jahr lang so streng wie möglich an die über 700 Regeln, die er in der Bibel gefunden hatte. Vier Monate widmete er dem Neuen und acht Monate dem Alten Testament, vor allem den Gesetzen des Mose: Er spendete (nicht zehn Prozent aber) zwei Prozent seines Einkommens (Lev 27,30). Am Sabbat erledigte er keinerlei Arbeit (Ex 20,8). Er trug keine Kleidung aus Mischgewebe (Lev 19,19). Er hielt sich an die mosaischen Speisegesetze (Lev 11,2). Mit menstruierenden Frauen vermied er sieben Tage lang jeglichen Kontakt (Lev 15,19). Und an Gesetzesbrechern vollzog er (symbolische) Steinigungen (Lev 20,27).

Dieser Erfahrungsbericht zeigt, wie eigenartig es wäre, das Gesetz des Mose als Handbuch für die christliche Ethik zu verwenden. Christen, die sich daran halten würden, hätten ein außerordentlich schweres Leben und würden sich außerdem lächerlich machen. Natürlich sind das noch keine ausschlaggebenden Argumente …

Hören Sie hier den Podcast.

Wie löst man das synoptische Problem? – 2. Die klassischen Antworten

Die bekannteste und verbreitetste Antwort auf die synoptische Frage ist die Zwei-Quellen-Hypothese. Insgesamt gibt es aber sieben bis acht wichtige Lösungsvorschläge zum synoptischen Problem. Diese Lösungsvorschläge gehören entweder zur Gruppe der Vorlagenhypothesen oder zur Gruppe der Benutzungshypothesen. Und zu jedem Lösungsvorschlag gibt es verschiedene Varianten.

Prof. Dr. Armin D. Baum (FTH Gießen) stellt in dieser zweiten Folge alle wichtigen Lösungsvorschläge vor: zunächst die Urevangeliums-Hypothese, die Diegesen-Hypothese und die Traditions-Hypothese, anschließend die Griesbach-Hypothese, die Markus-Hypothese, die Zwei-Quellen-Hypothese und die Drei-Quellen-Hypothese. Zu jeder Hypothese werden ihre Begründer, ihre Hauptaussagen, ihre neueren Vertreter und die wichtigsten Gegenargumente präsentiert. Dabei zeigt sich:

  • Es gibt mehr Lösungsmöglichkeiten als (von vielen) gedacht.
  • (So gut wie) alle theoretisch möglichen Lösungen sind schon vertreten worden.
  • Die Zwei-Quellen-Hypothese ist die klare Mehrheitsmeinung.
  • In der Forschung gibt es gewichtige Einwände und Alternativen zur Zwei-Quellen-Hypothese.
  • Theologische Vorlieben oder Vorfestlegungen müssen immer wieder aussortiert werden.
  • Historische Analogien aus der antiken Literatur oder aus wissenschaftlichen Nachbardisziplinen wurden in über 200 Jahren Forschung (erstaunlicherweise) nur vereinzelt herangezogen.

Fazit: Eine selbstständige Meinung kann sich nur bilden, wer alle Antwortmöglichkeiten und Argumente kennt und in seine eigenen Überlegungen einbezieht.

Wie löst man das synoptische Problem? – 1. Der synoptische Befund

Die synoptische Frage lautet, wie sich die Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen Matthäus, Markus und Lukas in Stoffauswahl, Stofffolge und Wortlaut erklären lassen. Mit dieser Frage bekommt man es im Religionsunterricht, im Theologiestudium und bei jeder gründlichen Exegese zu tun. Bevor man die synoptische Frage selbstständig beantworten kann, muss man sie gut verstanden haben. Der synoptische Gesamtbefund ist komplexer als den meisten Bibellesern bewusst ist.

Prof. Dr. Armin D. Baum (FTH Gießen) erklärt in dieser ersten Folge anhand ausgewählter Textbeispiele, Daten und Grafiken, aus welchen Einzelfragen sich die synoptische Gesamtfrage zusammensetzt:

  • Wie kommt es, dass die Synoptiker den Wortlaut ihrer Vorlagen teilweise nur zu 10%, an anderen Stellen aber zu 90% und insgesamt sehr uneinheitlich übernommen haben?
  • Warum haben die Synoptiker die Reden Jesu so viel wortgetreuer übernommen als den übrigen Erzählstoff?
  • Warum haben die Synoptiker gerade die poetischen Abschnitte viel wörtlicher wiedergegeben als den Rest ihrer Vorlagen?
  • Warum haben die Evangelisten nicht umgekehrt die Jesusgeschichten und vor allem die Worte Jesu wortgetreuer zitiert als das Alte Testament bzw. die Worte der alttestamentlichen Propheten?
  • Wenn Matthäus und Lukas unabhängig voneinander den Markus als Quelle benutzt haben, warum stimmen sie dann im Markusstoff so häufig gegen Markus überein (Minor Agreements)?
  • Woher rühren die vielen Wortlautveränderungen, die keine stilistischen Verbesserung einer Vorlage bieten?

Fazit: Das synoptische Problem kann nur lösen, wer diesen Gesamtbefund in allen seinen Facetten berücksichtigt.

Warum hat Paulus Männern kurze und Frauen lange Haare empfohlen (1 Kor 11,14-15)? – Und wie sollen wir heute mit diesen Anweisungen umgehen?

Warum hat Paulus Männern kurze und Frauen lange Haare empfohlen (1 Kor 11,14-15)? – Und wie sollen wir heute mit diesen Anweisungen umgehen? in: kids-team magazin 3/21, 3-4 und 9:

„Als Junge hatte ich für längere Zeit schulterlanges Haar und weigerte mich, es mir abschneiden zu lassen. Meine Eltern, die damals mit einem antiautoritären Erziehungsstil sympathisierten, ließen mich gewähren. Irgendwann fand ich die langen Haare selbst nicht mehr gut, überwand
meinen Widerwillen gegen Friseurbesuche und ließ mir die Haare kürzer schneiden. Heute trage ich immer noch eine Kurzhaarfrisur, allerdings nicht aus biblischen Gründen.

Biblisch argumentieren in solchen Fragen die Frauen, die zur täuferischen Glaubensgemeinschaft der Amischen gehören. Sie legen großen Wert darauf, sich auch mit ihrer Haartracht und ihrer Kleidung unmittelbar an biblische Vorgaben zu halten. Wenn sie das Haus verlassen, tragen
sie eine Kopfbedeckung, und ihre Haare tragen sie grundsätzlich
lang. Die biblische Begründung für ihre langen Haare finden sie im 1. Korintherbrief …

Warum enthält das Neue Testament 27 Bücher? Die Geschichte des neutestamentlichen Kanons

In den ersten Jahrhunderten der Kirchengeschichte hatte kein Christ und keine christliche Gemeinde dasselbe Neue Testament wir heute. Warum enthält unser Neues Testament genau 27 Texte – und wer hat das wann festgelegt? Was für Kriterien haben bei der Abgrenzung eine Rolle gespielt? Könnte man den Umfang der Bibel heute noch reduzieren oder erweitern? Und was hätte eine Veränderung des Umfangs für Folgen?

Prof. Dr. Armin D. Baum (Freie Theologische Hochschule, Gießen) bestimmt in seinem Vortrag zunächst den historischen Ausgangspunkt des neutestamentlichen Schriftenkanons. Anschließend beschreibt er anhand antiker Quellentexte die Entstehungsgeschichte des Neuen Testaments. Zum Schluss behandelt er die theologische Frage, mit welchen Argumenten Christen heutzutage die Grenzen des Neuen Testaments begründen.

Baums Ausgangsthese lautet: Die Kanonizität der neutestamentlichen Texte ergibt sich aus der Kanonizität der Person Jesu Christi. Im Blick auf die Begründung der Kanongrenzen plädiert er dafür, sich an dem von Martin Luther eingeschlagenen Weg zu orientieren. Für Baum ist es wenigstens theoretisch denkbar, einen wiedergefundenen Paulusbrief in die Bibel aufzunehmen. Gleichzeitig hält er es für richtig, dass der Vorschlag, einen Text von Martin Luther King ins Neue Testament zu integrieren, sich nicht durchsetzen konnte.