Die historisch-kritische Methode in der Bibelwissenschaft

Die historisch-kritische Methode in der Bibelwissenschaft. Ihre Geschichte, ihre Leistungsfähigkeit und ihre Grenzen, in: Biblisch erneuerte Theologie 3 (2019) 53-87:

In der modernen Bibelwissenschaft werden sowohl die exegetische als auch die historische Methode als „historisch-kritische“ Methode bezeichnet. Die Wurzeln dieses Sprachgebrauchs reichen bis in die Antike. Seit dem 19. Jahrhundert wird das Adjektiv „kritisch“ auch mit der Bedeutung prinzipiell „wunderkritisch“ verwendet. Daher kann „historisch-kritisch“ seitdem auch „historisch-wunderkritisch“ heißen. Die Frage, ob jemand „die“ historisch-kritische Methode befürwortet, lässt sich daher nicht mit einem einfachen „ja“ oder „nein“ beantworten. Die exegetische Methode besteht aus der synchronen und der diachronen Textanalyse. Gerade die exegetische Arbeit an einem so begrenzten Material wie den biblischen Texten muss sich vor der Gefahr der Überinterpretation hüten. Auch wenn die exegetische Methode mit Augenmaß angewandt wird, kann sie jedoch keinen existenziellen Zugang zu den biblischen Texten erzeugen. Das vermag nur eine pneumatische Erfahrung, die die exegetische Methode freilich nicht einschränken darf, sondern ergänzen muss. Die historische Methode besteht vor allem aus der äußeren und der inneren Quellenkritik. Der Historiker muss sich vor einem methodischen Misstrauen gegenüber den historischen Quellen hüten sowie vor einem daraus folgenden hyperkritischen Umgang mit seinen Quellen. Auch eine optimal angewandte historische Methode kann jedoch nur Wahrscheinlichkeitsurteile und keine absolute Gewissheit erzeugen. Eine ausreichende Gewissheit, dass die neutestamentlichen Kernaussagen zutreffen, entsteht nur durch den Heiligen Geist. Das im 19. Jahrhundert in die bibelwissenschaftliche Arbeit eingeführte Kriterium einer philosophischen Wunderkritik wurde besonders durch (David Friedrich Strauß und) Ernst Troeltsch weit verbreitet. Wissenschaftliche Kritiker dieser philosophischen Wunderkritik halten die Festlegung auf solche philosophischen Voraussetzungen für unangemessen und fühlen sich auch und gerade im Blick auf ihre Gottesvorstellung zur methodischen Offenheit verpflichtet (Abstract).